In dieser Gesellschaft fühlen wir uns blutjung. Wir befinden uns in Puebla und die unzähligen Kumpanen um uns herum hätten wohl einiges zu erzählen. Bloss, sie drehen uns den Rücken zu. Die meisten sitzen hinter Gitter, für die Bevölkerung nicht richtig zugänglich. Dies geschieht natürlich zum Schutze einer der grössten Sammlung menschlichen Wissens. Wir stehen in der ältesten, öffentlichen Bibliothek von Nord- und Südamerika. So zumindest die Behauptung. Die Biblioteca Palafoxiana wurde nach einer Buchspende des damaligen Bischofs im Jahr 1646 errichtet und zählt mittlerweile mehr als 40’000 Bände. Die meisten davon stammen aus Zeiten vor der Unabhängigkeit Mexikos. Beeindruckt von so viel Alter, verweilen wir einige Zeit in der Bibliothek und nehmen Auserwähltes genauer unter die Lupe, bevor wir schliesslich der Kapelle del Rosario einen Besuch abstatten.
Diese ist wahrlich ein goldenes Schmuckstück.
Zurück in unserer Unterkunft beäugen wir auch das Bild mit der gelben Kirche „Santa Maria de los Remedios“ im Vorder- und dem Vulkan „Popocatépetl“ im Hintergrund genauer. Wir versuchen herauszufinden von welchem Standort aus dieses atemberaubende Foto geschossen wurde und kommen auch mit Hilfe von Google Maps auf kein befriedigendes Ergebnis. Simon ist sich sicher, dass bei diesen Aufnahmen mehr als nur ein bisschen Photoshop im Spiel war.
Um uns vom Gegenteil zu überzeugen, die Hoffnung stirbt schliesslich zuletzt, bleibt uns nichts anderes übrig. Wir fahren mit dem Bus nach Cholula in einen wunderbaren Vorort von Puebla. Die grosse Ernüchterung kommt jedoch schnell. Die Kirche sehen wir von weitem, schliesslich thront sie als Spitze auf der voluminösesten Pyramide der Welt. Den Popocatépetl erkennen wir weiter weg im Dunst ebenfalls. Doch so richtig können wir die beiden Hauptdarsteller nicht in eine Achse bringen. Abgesehen von einem Funkmasten ragt nichts Aussergewöhnliches in die Höhe und so bleibt der Vulkan für uns stets hinter der Kirche verdeckt.
In Oaxaca angekommen fühlen wir uns zunächst nicht sonderlich willkommen. Wir stehen an einer roten Ampel, als ein junger Mann in einem dunkelroten Pick-Up neben uns vorbeifährt. Im Glauben, bei uns handle es sich um ein amerikanisches Pärchen, schreit er uns aus dem offenen Fenster mehrere Male „Fuck Trump“ entgegen. Die Aussage untermauert er mit einem eindeutigen Handzeichen. Normalerweise braucht es schon etwas mehr als irgendwelche Parolen um mich überfordern zu können. Dennoch bin ich baff und definitiv überfordert. Simon versucht mit einem „no Gringo“ unser Standpunkt zu verdeutlichen.
Einige Stunden Schlaf später sieht die Welt wieder etwas sonniger aus. Auf unserem Programm steht eine Stadttour der ungewöhnlichen Art, der Streetart eben. Damit wir nicht ganz verloren in der Stadt umherirren, suchen wir vorab einige Informationen der Malerein im Internet heraus. Hier sagen Bilder wohl definitv mehr, als tausend Worte:
Während der Tour fallen uns unter anderem die vielen Frauen in den bunten Trachten und mit den vom Leben gezeichneten Gesichtern auf. Mit einem Kleinkind auf der einen Seite und den Kunsthandwerken auf der anderen versuchen sie im Zentrum von Oaxaca ihr Glück. Aus Holz geschnitzte Buchzeichen, Kochlöffel, gewobene Halstücher, kitschiger Schmuck und vieles mehr wird uns präsentiert. Ein „no gracias“ wird stets akzeptiert.
Das Zentrum der Stadt gehört ebenso zum UNESCO Weltkulturerbe, wie die 10 Kilometer entfernte Ruinenstätte Monte Albán. Auf dem höchsten Punkt des Hügels und etwa 400 Meter über der Stadt Oaxaca befindet sich das älteste religiöse Zentrum der Zapoteken in Mexiko. Wir sind immer wieder erstaunt, wohin es unsere Vorfahren gezogen hat um sich niederzulassen. Bevor die Zapoteken mit dem Bau der Tempelanlage beginnen konnten, mussten sie nämlich die Kuppe des Berges ebnen. Eine wahnsinnige Leistung!
Unsere Vorfreude steigt mit jeder Stunde, denn wir haben eine Verabredung. Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk und augeregt sitzen wir am Zócalo, dem Hauptplatz der Stadt, und warten auf Beatrice. Unsere Blicke suchen in der Menschenmenge nach der jungen Frau und wir fühlen uns plötzlich, als stünden wir am Loebegge in Bern.
Wissen wir eigentlich noch, wie sie ausschaut? Ja klar! Mit schnellen Schritten kommt sie auf uns zu und lacht übers ganze Gesicht. Die Freude über das Wiedersehen ist gross. Ein Jahr ist es her, seit wir uns in einem Homestay in Vietnam kennengelernt haben. Diesmal aber, ist sie ohne ihren Freund Federico im Urlaub.
Wir plaudern über das vergangene Jahr was das Zeug hält und vergessen dabei ein Erinnerungsfoto zu schiessen. Bei der Verabschiedung hoffen wir, dass es nicht wieder ein weiteres Jahr dauert bis wir uns wiedersehen..