Obwohl ich nach wie vor der Überzeugung bin, dass hier in diesen Weiten Dinosaurier leben, sind diese Kugeln hier nicht deren Eier.
Nach den Geschichten der Ureinwohner sind es nämlich Eier der Regenbogenschlange aus der Traumzeit. Das muss schon eine ziemlich mächtige Schlange gewesen sein, wenn schon die Eier so gross sind. Die Karlu-Karlu, oder eben Devils Marbles befinden sich etwa 190 Kilometer nördlich von Alice Springs und somit auf unserem Weg an die Ostküste. Doch anders als die Sagen behaupten, waren die Kugeln einst ein einziger Granitblock, welcher durch das Regenwasser, der Erosion und der Verwitterung so geformt wurden. Dieser Vorgang ist bei vielen Hartgesteinen zu beobachten, die Häufung von so vielen Kugeln an einer Stelle ist jedoch weltweit einzigartig. In der Tat ist es beeindruckend, wie sich die Felsen plötzlich aus der Ebene erheben. Ein kurzer Spaziergang führt uns durch die Schlangeneier, welche teilweise durch die Verwitterung sauber in der Mitte halbiert wurden. Im meiner Fantasie schleicht trotzdem irgendwo eine frisch geschlüpfte Riesenschlange herum.
Etwas weiter nördlich ist eine weitere Ansammlung ähnlicher Steinsformationen zu finden. Nach dem Besuch der Devils Marbles ähnelt die jedoch eher einem Schutthaufen als einer Sehenswürdigkeit. Doch in einem touristischen Land wie Australien werden viele Dinge kurzerhand gut ausgeschildert, ein paar Infotafeln aufgestellt und so zu einer Sehenswürdigkeit aufgebauscht. Die Schwierigkeit besteht darin, die richtigen auszuwählen.
Während wir allmählich etwas weiter gegen Osten gelangen, wird das Wetter wieder rauher. Die Strasse ist wohl für ihre heftigen Winde bekannt. Am Strassenrand stehen immer wieder Schilder, mit denen vor heftigen Seitenwinden gewarnt wird. Auch das der Benzinverbrauch dadurch steigt, wird hier netterweise erwähnt. Gut zu wissen, denn die Tankstellen sind rar. Und der Nervenkitzel den wir an der Westküste erlebt haben, ist noch nicht vergessen. Doch viel schlimmer als der Wind ist jedoch der Regen, der wie aus Kübeln vom Himmel fällt. Nach einem ganzen Tag auf der Strasse erreichen wir Abends unseren Übernachtungsplatz. Direkt an einem Fluss auf einer kleinen Naturstrasse. Blöderweise hat es auch in der Nacht nicht aufgehört zu regnen.
Am Morgen werden wir von aufheulenden Motoren geweckt. Einige Nachbaren versuchen den Platz zu verlassen. Oh Schreck, denn die kleine Strasse hat sich in den vergangenen Stunden zu einem Schlammfeld verwandelt, das eher an die Bilder von Openairfestivals erinnert, als an einen Weg. Während sich diejenigen mit einem Allradfahrzeug mehr schlecht als recht durch den Schlamm pflügen, versuchen wir so schnell wie möglich auch aus dem Schlam(m)assel zu kommen. Doch unser Auto setzt sich nach wenigen Metern in einer misslichen Lage fest. Erst mit der Hilfe von einem australischen Pärchen und deren Sandleitern können wir unser Zuhause zumindest wieder in eine waagrechte Position stellen. Der Australier meint nur so: „Das sei das wahre Outback. Abwarten und Tee oder Kaffee trinken ist das einzige, was in solchen Situationen hilft.“
So sitzen wir also im Schlamm fest, zusammen mit mindestens zehn anderen Fahrzeugen. Und warten und hoffen, dass das Wetter bald besser wird. Nach drei Tagen ohne Caravanpark haben wir uns eigentlich darauf gefreut, eine Dusche geniessen zu können. Doch die scheint gerade in weite Ferne gerückt zu sein. 2,5 Kilometer sind es schlussendlich. In dieser Entfernung befindet sich zum Glück ein Roadhouse. Unter der Bedingung danach etwas zu Trinken, dürfen wir die Dusche benutzen. Ganz nebenbei nutzen wir auch die Möglichkeit unsere Telefone und das Laptop aufzuladen. Wer weiss, wie lange wir noch festsitzen.
„Knock-knock“ ertönt es plötzlich an unserer Autotür. Einer unserer Nachbaren steht vor uns, in der Hand ein Tupperware und zwei Brötchen. Seine Frau und er haben gedacht, dass wir vielleicht hungrig seien. Wir nehmen dankend an, versichern ihm aber, dass wir noch gut ausgerüstet sind. Trotzdem bietet er an, dass wir jederzeit bei ihnen vorbeikommen können. Es sollte nicht die letzte Hilfe sein, die wir angeboten bekommen. Ein französisches Pärchen, die mit einem normalen Auto unterwegs sind, werden von anderen Campern kurzerhand zum Abendessen eingeladen. Die Hilfsbereitschaft hier im Outback haut uns einmal mehr um.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne. Der Boden jedoch ist unverändert schlammig. Trotzdem schlendern viele Festsitzende umher und suchen trockene Ecken. Auch wir machen ab sofort fast jede Stunde einen Rundgang und prüfen die Strasse um die beste Linie zu suchen. Ein wenig kommen wir uns wie Skirennfahrer vor, die vor seinem Start die Strecke nochmals durchgehen.
Die Sonne trocknet das Gelände zügig, der Wind unterstützt dabei mächtig. Wir sind erstaunt, wie schnell sich die Natur erholt und wittern unsere Chance, noch am selben Tag von hier weg zu kommen. Mitte Nachmittag halten wir es kaum mehr aus. Das letzte Mal gehen wir die Strecke und die kritischen Stellen durch, dann gilt es ernst. Marilyne schont ihre Nerven und steigt gar nicht erst ins Auto, während ich mich mit leicht zitternden Beinen bereit mache. Ich weiss genau, dass ich unter der Beobachtung der meisten Campierenden stehe, die einfach nicht die ersten sein wollen, die es versuchen. Naja, der Tourist machts vor.
Mit einem gewissen Speed pflüge ich mich durch die erste kritische Stelle und bemerke sofort, wie die Hinterachse zu schlingern und spulen beginnt. Ein Zurück gibt es nicht, so drücke ich aufs Gas. Mit Erfolg. Um keine Geschwindgkeit zu verlieren halte ich am abgesprochenen Punkt gar nicht erst an und ziehe direkt durch zur nächsten kritischen Stelle. Ein Abschnitt in einer Kurve danach ein kleiner Anstieg. Schlingernd komme ich zum Stillstand und weiss, den schwierigsten Teil habe ich geschafft. Marilyne eilt jubelnd zu Fuss hinterher. Eine Schlammpfütze und eine letzte Spritzschlacht später befinden wir uns wieder auf geteertem Untergrund. Das Bein auf dem Gaspedal zittert aber noch Minuten später. In Zukunft achten wir wohl besser auf den Untergrund unserer Übernachtungsplätze.
Je weiter wir nach Osten gelangen, desto wärmer wird es. Schon bald benutzen wir das erste Mal seit langem wieder die Klimaanlage. Am Wetter jedoch ändert sich nichts. Die Regenwolken bleiben stets über unserem Dach. Der geplante Ausflug zur Magnetic Island vor der Küste von Townsville fällt wortwörlich ins Wasser. Wir begnügen uns schlussendlich mit dem Schlechtwetterprogramm und gehen ins Kino. Da es draussen gerade so schön nass ist, entscheiden wir uns für „Finding Dory“.
Wenn schon Wasser, dann richtig!