Von Mexiko nach Guatemala

Wir befinden uns an der Grenze zum geographischen Mittelpunkt Amerikas und wundern uns darüber, dass wir die Einreisegebühren von stattlichen 1.25 CHF nicht bezahlen müssen, als wir von Luis angesprochen werden. Einem Südamerikaner mit langen dunklen Haaren, selbst gemachtem  Schmuck und einem Wortschatz, dass einem schier die Spucke wegbleibt. Er will wissen, wohin unsere Weiterreise geht. Breitwillig geben wir ihm Auskunft darüber, wollen aber gleichzeitig auch etwas mehr von ihm erfahren. Nur, wer hätte gedacht, dass bei dieser Begegnung plötzlich ihm die Spucke wegbleibt.

Unsere Reise startet mit einem Minibus von San Cristóbal de las Casas nach Panajachel in Guatemala. Der letzte Passagier, scheint mit der Organisation des Abholdienstes nicht ganz einverstanden zu sein. Fluchend steigt er in den Minibus ein. Er sei bereits seit 5 Uhr wach und jetzt sei 7:30 Uhr, ein gehässiges „puta madre“ entweicht ihm aus dem Mund. Nebst dem Wortschatz fallen mir die langen, dunklen Haare auf.

Während einer Essens-und Pinkelpause höre ich gespannt einem Gespräch zu. Eine Französin und ein Ecuadorianer, übrigens der fluchende Typ vom Morgen, unterhalten sich zuerst in Spanisch, später in Französisch. Die junge Frau, Marie, erwähnt etwas von Genf, worauf der Mann entgegnet, er kenne die Schweiz. Er stellt sich mit dem Namen Luis vor und präsentiert seine selbstgefertigte Halskette. Ich werde noch hellhöriger. Lustig, aber irgendwie kommt mir die Sache spanisch vor. Ich berichte Simon das eben Gehörte und auch er kann es kaum fassen. Ist es denn wirklich möglich? Uns bleibt keine andere Möglichkeit als uns zu vergewissern.

So stehen wir also an der guatemaltekischen Grenze und sind im Gespräch mit Luis. Nun ist der Zeitpunkt gekommen. Ohne Vorwarnung gestehe ich ihm, dass ich bei der Frühstückspause mitgelauscht hätte, scheinbar kenne er die Schweiz gut. Er bejaht. Wir erkundigen uns, ob er die Stadt Biel auch kenne. Wieder ein Ja! „Na dann kennst du sicher auch Fabiana?“ (Anm. der Redaktion: Die Schwester von Simon heisst Fabienne, da dies für die Mittel-und Südamerikaner nicht ganz einfach auszusprechen ist, wird sie Fabiana genannt). Die Gesichtsfarbe von Luis ändert sich schlagartig und es scheint, als kriege er weiche Knie. Ich stelle Simon als ihren Bruder vor und einmal mehr bemerken wir, wie klein die Welt doch ist.

Vor uns steht niemand geringeres als der Exfreund von Simons Schwester. Die Freude über die Begegnung ist gross, denn die beiden haben sich bisher nie gesehen. Es scheint als sei das ganze mehr als nur ein grosser Zufall.

Einige Minuten später sitzen wir im nächsten Minibus, welcher uns nach Panajachel fährt. Ein Städtchen am Lago de Atitlán, welches als eines des touristischen Zentren Guatemalas gilt. Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir unser Ziel. Vorsorglich haben wir für zwei Nächte eine Unterkunft abseits des Zentrums und somit abseits des Touristenstroms gebucht.

Einige Tage später, befinden wir uns inmitten des grössten Marktes von ganz Lateinamerika. Immer donnerstags und sonntags füllen sich die Strassen von Chichicastenango nicht nur mit Einheimischen und Touristen sondern auch mit einer beachtlichen Anzahl unterschiedlicher Waren. Nebst Obst, Gemüse und lebendigen Hühnern, werden auch Teppiche, Gewürze und Holzwaren verkauft. Hier bekommt der Ausdruck „das bunte Treiben“ eine ganz andere Bedeutung. Wahrlich haben wir auf der gesamten Reise keinen vergleichbaren Markt gesehen. Die vielen verschiedenen Farben springen einem förmlich ins Gesicht. Es ist schwer, den vielen Waren zu widerstehen. Wie schon oft, sind wir froh über den beschränkten Platz im Rucksack.

So verbringen wir einige Zeit mit dem sogenannten „Schaufenstershopping“, ehe es uns in die eigentliche Markthalle zieht. Dort beobachten wir von der zweiten Etage aus die vielen Einheimischen. Die Frauen verkaufen in bunt bestickten Trachten das frische Gemüse. Sie haben sich für den Markttag nicht extra schick gemacht, sie tragen die traditionellen Kleider, weil sie es immer tun. Nirgendwo sonst auf der Welt haben wir so viele Frauen gesehen, welche ihre Trachten mit vollstem Stolz tragen.

Mit einem Kopf voller Eindrücke und einem Rucksack mit wenigen Kleinigkeiten (ganz widerstehen konnte ich dann doch nicht) kehren wir nach Panajachel zurück. Diesmal jedoch in eine andere Unterkunft im Zentrum. Auf der Suche nach einer geeigneten Bleibe, landen wir zwei Tage zuvor an der Rezeption des Hotels „Posada de los Volcanes“.

Julio, ein freundlicher Herr, führt uns durch das Hotel und zeigt uns zwei verfügbare Zimmer. Nebst dem Anblick der Unterkunft ist es vorallem die freundliche Atmosphäre, welche unsere Herzen höher schlagen lässt. Die Liebe auf den ersten Blick hat jedoch einen Preis, welchen wir nicht zahlen können, respektive wollen.
Simon erklärt, dass wir uns auf einer 2-jährigen Reise befinden und es uns leider nicht möglich ist, so viel Geld für eine Unterkunft auszugeben. Dankend wollen wir uns verabschieden, als Julio innehält. Beeindruckt von unserem Projekt, will er uns wohl etwas Gutes tun. Wir erhalten einen unschlagbaren Preis und können unser Glück kaum fassen.
So erholen wir uns nach einem anstrengenden Marktbesuch in unserer kleinen Oase.

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