Big Island – die Aktive

Ich stehe am internationalen Flughafen von Kailua-Kona und warte auf meine nächsten Kunden. Im Moment herrscht Hochbetrieb auf Big Island. 15 Mal mehr Touristen sind derzeit auf der Insel als normal und trotzdem will mich niemand. Die haben wohl etwas gegen kleine Italiener. Alle verfrachten die Sporttaschen und die Transportboxen mit Fahrrädern in den Stauraum meiner grösseren Kollegen. Die Jeeps sind die beliebtesten, obwohl doch die Strassen in bestem Zustand sind. Zugegeben, ein Fahrrad hätte in meinem Kofferraum wohl tatsächlich nicht Platz. Doch die beiden Rucksäcke der zwei Reisenden, welche zielstrebig auf mich zusteuern, haben gut Platz. Auf dem Weg in die Unterkunft begegnen wir vielen Fahrräder wieder. Ausgepackt und im Training auf der Strasse. Nicht selten wird davor gewarnt: „Vorsicht, trainierende Athleten!“.Wir begegnen den Athleten zwei Tage später wieder. Während diese seit sechs Stunden gegen die Wellen, den Wind und die Hitze Hawaiis ankämpfen, zwänge ich mich in Parklücken, da können meine grossen Kollegen nur so staunen.

In neongelben T-Shirts mit einer Aufschrift „Crew“ lassen meine Gäste mich auf dem Parkplatz zurück. Knappe 2.5h später scheinen die ersten Athleten ihre Tortur überstanden. Das Tosen aus dem Zielbereich macht deutlich: Der Weltmeister des Ironman Hawaii hat die 3.8km Schwimmen, 180km Rennrad und den 42.5km Marathon in sagenhaften 8h06min bewältigt. Dass das ganze Männerpodest von Deutschen belegt ist, scheint egal, viel wichtiger für Marilyne und Simon ist, dass die Schweizerin Daniela Ryf in einer Rekordzeit gewonnen hat. Auf der Fahrt in die ruhige Umgebung schnappe ich einige Sätze von der Arbeit auf, welche die beiden verrichtet haben. Anscheinend haben sie den Athleten nach dem Zieleinlauf die Zeitmessungschips von den Fussgelenken genommen. Viele davon waren mit Sicherheitsnadeln fixiert. Aha, dass erklärt die verstochenen Finger von Simon am Lenkrad und von Marilyne auf meinen schönen Polstern. „Hast du den gesehen, der zu weinen begonnen hat, weil ich so freundlich war?“, fragt Marilyne. Ja, die waren nach dieser unglaublichen Leistung teils ziemlich am Ende. Nicht wenige haben sich trotzdem entschuldigt, dass sie sich nicht mehr bücken und helfen können. Oder dass sie so verschwitzt seien. So wie die zwei während der ganzen Fahrt reden, war das Ganze ein unglaubliches Erlebnis. Die Nacht ist zum Glück schön erholsam, die Luft erfüllt mit zirpenden Tieren und quakenden Fröschen. Im entfernten Kona trudeln noch bis Mitternacht Athleten ein, während sich der Muskelkater der ungewohnten Bewegungen der Arbeit bereits fies anschleicht. Die beiden haben echt volles Programm. Schon am nächsten Tag geht es wieder zurück nach Kona. Ich geniesse die salzige Meerluft am Kleinboothafen, sie die Unterwasserwelt. Ja, Mantarochen soll es hier zuhauf haben. Schon andere Touristen haben davon auf meinen Sitzen geschwärmt, wie die Tiere knapp über ihren Kopf geschwebt seien. Auch an diesem Abend scheint es so zu sein. Ein weiblicher Manta hat die volle Aufmerksamkeit und scheint die volle Show abgezogen zu haben. Im Lichtermeer getanzt Phone Number Trace , immer auf der Suche nach Plankton zum Abendessen, hin und wieder ein Abstecher knapp über den Köpfen der vielen Taucher. Mannomann, ein Tier, das etwa so schwer ist wie ich, schwebt einfach so über den Köpfen der Menschen. Mühelos. Da muss ich wohl noch etwas üben.

Doch auf der Strasse zum Volcano Nationalpark zeige ich, was ich kann. Nicht, dass ich das nächste Mal durch einen Jeep ersetzt werde. Tapfer kämpfe ich mich zum Zeltplatz auf 1200m über Meer, dann gleich wieder hinunter ans Meer. Da aktuell die Lava ins Meer fliesst, verstehe ich diese Entscheidung. Weltweit einzigartig ist der Beobachtungspunkt, der nach 6.5km Wanderung oder Fahrradfahrt anzutreffen ist. 1000°C heisse Lava trifft hier auf das offene Meer. Eine hohe Dampfsäule markiert den Ort, wo Big Island immer noch grösser wird. Wenn es eindunkelt, färbt sich die Wolke rot, plätscherndes Magma ist zu sehen. Doch der Zeitpunkt muss genau stimmen. Denn nicht immer ist der aktivste Vulkan der Welt so aktiv. Während unten die Lava fleissig ins Meer plätschert, steigt oben der See so hoch, dass er vom Jaggermuseum zu sehen ist. Auch hier ist das Spektakel umso eindrücklicher, wenn es dunkel wird. Leider ist das kein Geheimtipp, doch für mich findet sich zum Glück immer ein Plätzchen.
Frühmorgens werde ich aus dem Schlaf gerissen. Herrgott, es ist ja noch stockdunkel. Während ich allmählich warm laufe, jagt Simon mich über die Strasse. Meine müden Augen werden ab und zu grauenhaft von diesen grössenwahnsinnigen Jeeps geblendet. Das die ihre Lichter auch auf der Höhe meiner Frontscheibe haben müssen. Doch kurzum wird es besser. Nun macht die Höhe mir etwas zu schaffen. Ich erspähe in der Dunkelheit ein Schild. Was stand da? „Only 4WD allowed“? Naja, ist wohl etwas übertrieben, die paar Kilometer steile Kiesstrasse geht auf jedenfall prächtig mit den kleinen Rädern und Frontantrieb! So stehe ich nun, als wohl kleinstes Auto der ganzen Insel auf dem höchsten Berg der Welt. Dem Mauna Kea. Moment, höchster Berg der Welt. War das nicht der Mount Everest? Nein, nicht wenn man vom Meeresgrund her misst. Welch Ehre für mich!

Das Observatorium, in dem Menschen aus der ganzen Welt arbeiten, hüllt sich langsam ins Morgenlicht. Der Wind pfeifft kalt um die Rückspiegel. Schon bald sitzen Marilyne und Simon, dick eingepackt wieder auf den Sitzen und bekleckern mich mit Toastbrot und Erdnussbutter. Die asiatischen Touristen, die wie Werbemännchen von Pirelli rumstolpern, werden derweil wieder in ihren grossen Tourbus verfrachtet.
Für die letzte Nacht auf Hawaii verschlägt es uns in den Norden, wo uns der starke Wind kaum schlafen lässt, bevor wir uns auf den längsten Fünfstundenflug unseres Lebens machen.

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