Ich öffne meine Augen und sehe erst noch nicht viel. Die Kaputze des Schlafsacks ist eng zugezogen. Wohlig warm ist es im Innern. Doch die Scheiben von unserem temporären Zuhause sprechen für sich. Kaum öffne ich den Reisverschluss, strömt die kalte Luft durch Mark und Bein. Und wieder sind wir im Winter angekommen. Vor den beschlagenen Scheiben laufen Menschen dick eingemummelt umher. Die steil aufragende Felswand unmittelbar vor unserem Campingplatz erinnert mich irgendwie an Leukerbad. Ein heisses Bad wäre auch nicht zu verachten. Doch wir montieren Thermounterwäsche und Mütze und gehen auf Erkundungstour. Eichhörnchen huschen frech zwischen unseren Beinen durch, keine 10 Meter entfernt ist eine Hirschfamilie am Grasen. Das die Tierwelt auch alles andere als schön sein kann, werden wir Tage später bemerken.Am Vortag haben wir unser Mietauto engegengenommen und sind erst nach dem Eindunkeln im Yosemite Nationalpark angekommen. Die Sterne sind keine Sterne, sondern Kletterer, welche nachts am „El Capitan“ biwakieren. Er ist einer von zwei sehr markanten Felsen, welcher das Bild des Yosemite Valleys prägen. Obwohl nun Nebensaison ist, sind die Campingplätze oft um Monate im Voraus ausgebucht. Dementsprechend viele Leute hat es auch im Tal und auf den vielen Trails unterwegs. Doch der Schönheit der Natur mit den vielen Wasserfällen tut das kein Abbruch. Aber wandern ist nicht gleich wandern. Die Wege sind derart gut ausgebaut, dass man vielerorts mit Flipflops oder gar mit dem Rollstuhl hingelangen könnte. So stellt sich die Wanderung an das obere Ende eines Wasserfalls für uns eher als ausgedehnter Spaziergang heraus.
Am nächsten Tag wollen wir auf den Aussichtspunkt, welcher oben auf der Felswand liegt. Doch als wir den Zündschlüssel drehen, passiert rein gar nichts. Anscheinend hat die Autobatterie so ihre Mühe mit der Kälte. Doch mit einem kleinen, externen Anstupser schnurrt der Motor wieder wie ein Kätzchen. Oder besser wie ein Löwe. Oder doch wie ein Bär? Tage später befinden wir uns am Lake Tahoe. In einem Wald haben wir unser Nachtlager bereit gemacht. Just als ich mit dem Abwasch fertig bin, knurrt es hinter mir. Schon wieder. Das Geräusch höre ich nun zum dritten Mal, doch nie war es so nah. Schwarzbären sind nun sehr gefräsig, müssen sie sich doch auf den Winterschlaf vorbereiten. Als mir dies durch den Kopf schiesst, Lyne gleichzeitig meint: „Komm rein!“ nehme ich einen Hüpfer über die eingebaute Küche und ziehe die Türe hinter mir zu. Wie ich die Flipflops mit reingenommen habe, weiss ich allerdings nicht mehr. Der Umstand, dass wohl ein Schwarzbär um unser Auto rumschleicht, wir das ganze Essen im Auto haben und wir keinen Nachttopf haben, vertreibt uns zurück nach South Lake Tahoe. So übernachten wir fortan auf den Parkplätzen der Einkaufszentren. Dass diese 24h-Öffnungszeiten haben, verwundert uns, doch es gibt uns die Möglichkeit, jederzeit die Toiletten und das gratis Internet zu benutzen. Unser Auto versorgt sich zum Glück dank Solarpanel auf dem Dach und dem gelegentlichen Fahren selber mit Strom.
South Lake Tahoe gleicht einem Winterkurort. Chaletähnliche Gebäude zieren das Zentrum, Sportgeschäfte, Ski-und Snowboardvermietungen und eine Gondelbahn runden das Bild ab. Leider liegt noch zu wenig Schnee, sonst hätte es uns garantiert auf das Brett gezogen. Umso beliebter sind die Ausflugsziele rund um den See. So beliebt, dass die Parkplätze dazu hoffnungslos überfüllt sind. Wir geniessen unser Camperli, parkieren am See und machen einen ausgedehnten Mittagsschlaf an der Sonne.