Ich liege wieder wach. Die Augen starren an die Decke, welche nur vom düsteren Licht des Gangs beleuchtet wird. Draussen scheinen die Sterne hell am klaren Himmel. Mein Kopf pocht, alle paar Minuten knackt es in den Ohren. Ich bin froh, bin ich nicht erkältet. Der Druckausgleich klappt problemlos. Etwas oberhalb von meinem Kopf ist die Klappe für alle Fälle: „Oxygen Outlet“ steht drauf. In der höchsten Eisenbahn der Welt ist alles etwas anders.
Wir haben eine dreitägige Anklimatisierung in Xining hinter uns. Eine nicht sonderlich spezielle Stadt, hat nicht allzuviel zu bieten. Umsobesser für uns. So können wir uns ohne schlechtes Gewissen in unserem Hostel ausruhen. Xining liegt auf etwa 2300 Metern über Meer, das Zimmer etwas höher, sind wir doch im 15. Stock. Zusammen mit unserer tibetischen Medizin steht unserer Vorbereitung nichts im Weg.
Im Umgang mit der Chinesischen Eisenbahn sind wir ja bereits geübt. Zusätzlich zu Ticket und Pass müssen wir eine Reiseerlaubnis vorlegen. Diese kann nur durch ein Reisebüro beantragt werden, wenn eine Tour mit Guide gebucht wird. Somit kann das Tibet nicht auf eigene Faust erkundet werden. Wir legen unsere Erlaubnis vor und werden wie gewohnt durchleuchtet. Diesesmal gleicht auch das Bahnhofsgebäude einem Flughafen. Ein riesiges, topmodernes Gate mit Verpflegungsmöglichkeiten, Kiosken und Sitzgelegenheiten. Jeweils links und rechts führen Treppen nach unten aufs Perron.
Wir teilen unser Abteil mit einem Deutsch-Österreichischen Paar, welches bereits mehrere Jahre in Shanghai lebt. Natürlich erkunden wir die Spezialitäten des Zugs. Allem voran sticht die Sauerstoffversorgung ins Auge. Überall im Zug kann der persönliche Schlauch eingestöpselt werden, sollte es nötig sein. Bereits nach knapp einer Stunde sind wir auf einer Höhe von 3200 Metern. Von Problemen bis jetzt keine Spur. Wir geniessen die Aussicht, an uns zieht der höchstgelegene Süsswassersee vorbei, die Weiten erinnern uns an die Mongolei. Die Schafe, Pferde und Yaks tragen den Rest dazu bei.
Kurz vor Golmud dunkelt es ein. Von da an führt die 2007 neu gebaute Strecke nach Lhasa. Ein Viertel davon über Permafrostboden. Ein dementsprechend teures und aufwändiges Projekt, dass die Chinesen da umgesetzt haben.
Frühmorgens, mitten in der Dunkelheit, passieren wir den höchsten Punkt der Zugfahrt. Den Tanggula-Pass, auf 5400 Metern über Meer. Wir verpassen ihn.
Als wir aufwachen, ist es selbst im Wagon bitter kalt. Im etwas wärmeren Gang herrschen immerhin 13°C. Ein Blick aus dem Fenster zeigt überall gefrorene Bäche. Wie dünn die Luft draussen ist, können wir nur erahnen. Denn ab einer gewissen Höhe wird zusätzliche Luft in die Wagen gepumpt, um den Sauerstoffgehalt etwas zu erhöhen.
Wir fahren über das tibetische Hochplateau, beobachten dabei Füchse, Yaks und Gebetsflaggen und kommen uns dabei vor wie in einer Reisedokumentation. Nur in echt. Und besser. Kurze Zeit später finden wir uns in einem Schneesturm wieder. Zum Glück wird im Zug wieder geheizt, so dösen wir im wohlig warmen Bett und träumen bereits vom Dach der Welt.
4 Antworten
Wie wunderbar- ich träume mich zu euch und begleite euch durch diese atemberaubende Landschaft! Dicke Umarmung Nadine
sage nur WOW
Auch ich bedanke mich ganz herzlich für die Karte. Ich lese immer sehr interessiert Eure Berichte. Sehr sehr spannend. Wir haben hier in der Schweiz einen aussergewöhnlich warmen November. Wir „sünnele“ fast wie im Sommer.
Gruss Barbara
So schön, ich möchte dabei sein!
Grossmächtiger Dank für die Karte.