Baikalsee

Irkutsk

Beissender Wind, Regen. Ein Blick aufs Thermometer: 6°C. Wir sind in Ostsibirien angekommen. Sehr einladend wirkt dieses Irkutsk noch nicht auf uns. Das Treppenhaus des Hostels riecht irgendwie nach Hundekacke – oder toten Mäusen. Zum Glück sieht das Innere einer Wohnung meist besser aus. Wir werden freundlich begrüsst, dass Zimmer ist jedoch noch belegt. Kein Wunder, unser Zug ist ja auch morgens um halb Acht angekommen. So muss die lang erhoffte Dusche einem kleinen Stadtspaziergang weichen. Etwas durchgefroren duscht es sich sowieso noch viel besser.

Baikalsee

Unter anderem für dieses Unterfangen haben wir die komplette Campingausrüstung dabei. Eine Zugfahrt bis nach „Temnaia Pad“ dauert ca. 2.5 Stunden und kostet knappe 1.50.- pro Person. Auf dieser Fahrt schaukelt es so manchen in den Schlaf. Auch die Zugbegleiterinnen unseres Wagens können sich auf einmal nicht mehr wehren.

Die Stationsnamen werden nur in Russisch durchgegeben – umsomehr hilft es, die genaue Ankunftszeit zu wissen. So beginnt unser Abenteuer. Über einen kleinen Pfad trappeln wir mit unseren grossen Rucksäcken zuerst einer kleinen Gruppe Chinesen nach – wir sind wohl richtig.

Und plötzlich ist er da: Gross, klar, silbrig glitzernd. Der Baikalsee. Das grösste Süsswasserreservat der Welt. Nicht umsonst wird diskutiert, ob er ein Status eines Meeres erhalten soll. Die nächsten Tage werden wir sein Ufer im Blick, sein Geplätscher in den Ohren haben. Und immer wieder sind wir erstaunt, wie klar und lecker das Wasser ist. Und dass es eben Süsswasser ist.

Unsere Wanderung führt uns von Sljudjanka nach Port Baikal – entlang der alten Route der Transsibirischen Eisenbahn. Dieser Abschnitt könnte schon bald zum UNESCO-Welterbe gehören. Bereits am ersten Abend finden wir einen wunderschönen Lagerplatz mit herrlicher Aussicht über den See. Sobald die Sonne aber untergegangen ist, hält uns nicht allzuviel von den Schlafsäcken fern. Zu schnell wird es kalt. Drinnen jedoch ist es wohlig warm.
Die nächsten vier Tage verbringen wir mit Kilometerzählen, unsere Schrittlänge auf die Distanz der Eisenbahnschwellen anzupassen, diversen Transportmitteln welche auf den Schienen unterwegs sind auszuweichen, Böschungsmäher zu grüssen, Tunnel und Brücken zu passieren, Robben zu beobachten und nicht zuletzt schöne Plätze zum Übernachten zu suchen. Was uns meistens gelingt.
Zurückgelegt haben wir schlussendlich bis Port Baikal rund 80 Kilometer zu Fuss. Viermal täglich verkehrt hier eine Fähre nach Listvyanka, am anderen Ufer der Angara. Mit ein wenig Glück kann man auch mit einem privaten Boot übersetzen. Dabei muss man etwas früh am Pier sein und lächelnd den hantierenden Russen zuschauen. Preis für die Überfahrt: Fotos der Heimat zeigen und einen Schluck eines selbstgebrauten Hochprozentigen – welcher übrigens die Farbe von verunreinigtem Petrol hatte.

Listvyanka

Ehemals ein kleines Fischerdorf, welches heute grösstenteils vom Tourismus lebt. Auf der Strasse gibts vorwiegend geräucherten Fisch zu kaufen. Daneben auch sehr beliebt ist Reis mit Fleischspiessen. Für uns unverständlich, wie sich der Verkauf des Fisches lohnt, räuchert doch jeder Stand der gleich danebenstehende mit ein. Auf dem Fischmarkt zeigt sich ein ähnliches Bild. Jedoch teilen sich die Fischstände zusammen mit den Souvenirständen den Platz.
Der Kiesstrand dient den Sonnenhungrigen als guter Rückzugsort, so manch einer lässt sich auch zu einem Bad im doch eher kalten Baikalsee verleiten. Auf der Strasse stauen sich die Autos – jeder auf der Suche nach einem geeigneten Abstellort. Auch wenn dies mitten auf der Strasse ist. Ein geordnetes Chaos, trotzdem bleiben die Autohupen stumm. Die Italiener könnten sich eine Scheibe davon abschneiden.

Dann ist Montag. Und wieder regnerisch. Das Dorf ist ausgestorben. Keine Fische, keine Touristen, und schon gar keine Einheimischen sind mehr zu sehen. Deshalb: Besucht Listvyanka unbedingt an einem Wochenende.

Als Schlechtwetterprogramm dient der Besuch im Baikal Limnological Museum – welches die Geschichte und Tierwelt des Sees dokumentiert. Eigentlich wollten wir in Listvyanka nur einen kurzen Stopp machen, unsere Vorräte auffüllen, um danach einen Teil des „Great Baikal Trails“ zu gehen. Gesundheitsbedingt entscheiden wir uns jedoch dagegen und nehmen das Sammeltaxi zurück nach Irkutsk um uns dort auszukurieren.

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5 Antworten

  1. Bis am Schluss war es mir ein Rätsel wieso, dass die Bahnschwellenabstände nicht immer gleich waren… Aber vielleicht haben Sie ja da was angepasst oder es gibt auch Alternativen zum „auf dem Gleis gehen“ 😉
    Gueti Besserig u gueti witerreis!

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